8. Januar – Der ger. Severin vom Norikum
versperrt sind, in verwegener Waghalsigkeit oder eher, wie sich später herrausstellte,
in unerschütterlicher Gottergebenheit zum seligen Severin zu gelangen. Er hatte eine
große Anzahl Begleiter angeworben, die auf ihrem Rücken Kleidungsstücke schleppen
sollten, welche für Gefangene und Arme zu deren Nutzen bestimmt waren; diese
Kleider hatten die Noriker in einer frommen Sammlung reichlich aufgebracht. Sie
brachen also auf und kamen zu den höchsten Alpengipfeln, wo die ganze Nacht
derartig viel Schnee fiel, daß sie, die sich unter dem Schutz eines großen Baumes
verbargen, wie in einer großen Grube versenkt eingeschlossen waren. Und als sie
schon völlig an ihrem Leben verzweifelten, da überhaupt keine Hilfe zu erwarten war,
sah der Anführer des Zuges im Traum jemanden mit dem Aussehen des Gottesmannes
dastehen, der zu ihm sagte: "Fürchtet euch nicht, setzt euren Marsch fort! " Durch diese
Offenbarung sogleich ermutigt, setzten sie ihren Marsch fort, wobei sie mehr ihr
Glaube vorwärts brachte als ihre eigenen Füße. Da erschien plötzlich auf den Wink
Gottes hin ein mächtiger Bär von der Seite, um ihnen den Weg zu zeigen; sonnst
verbirgt sich dieses Tier zur Winterszeit doch gewöhnlich in Höhlen. Dann erschloß er
ihnen den ersehnten Weg und wies ihnen fast zweihundert Meilen weit, ohne nach
links oder rechts abzuweichen, die erwünschte Richtung. Er schritt ihnen nämlich
gerade in einem so großen Abstand vorraus, daß er durch seine frische Spur einen Pfad
bahnte. So ging also das Tier durch die wüste Einöde vor den Männern einher, die den
Bedürftigen Hilfsgüter brachten, und ließ sie nicht im Stich, sondern geleitete sie mit
wahrhaft menschlicher Gesinnung bis zu menschlichen Wohnstätten. Dann zog es
seitlich ab, nachdem es seine Pflicht erfüllt hatte. Durch diesen wichtigen Führerdienst
ließ der Bär erkennen, was Menschen den Menschen erweisen, wieviel Liebe sie
aufbringen sollten, da doch ein wildes Tier den Verzweifelndenden Weg gezeigt hatte.
Als dann dem Diener Gottes die Männer gemeldet wurden, die gekommen waren,
sprach er: "Gepriesen sei der Name des Herrn! Eintreten sollen die, denen ein Bär den
Weg bahnte, auf dem sie hergelangten. " Als sie das hörten, wunderten sie sich in
mächtigem Staunen, daß der Gottesmann ein Geschehen erwähnte, das sich in seiner
Abwesenheit zugetragen hatte. "
Zu Beginn seiner Wirksamkeit in Noricum wurde die Stadt Favianis von einer harten
Hungersnot geplagt; da glaubten ihre Einwohner, es gebe für sie nur die eine Hilfe,
wenn sie den Gottesmann durch fromme Bitten einlüden. Dieser aber wußte im
vorraus, daß sie zu ihm kommen würden, und wurde vom Herrn ermahnt, mit ihnen
zu gehen. In Favianis angekommen, gab er den Bürgern Ratschläge und sprach:
“Durch erfolgreiche, heilbringende Buße werdet ihr von dieser verderblichen
Hungersnot befreit werden können. “ Als sie solchen Anordnungen folgten, erkannte
der allerseligste Severin durch göttliche Offenbarung, daß eine Witwe namens Procula
einen sehr großen Vorrat an Getreide verborgen hielt. Er ließ sie öffentlich vorführen
und machte ihr heftige Vorwürfe. “Warum” , sprach er , “zeigst du, eine Dame von
vornehmster Herkunft, dich als Magd der Begierde und wirst eine Sklavin des Geizes,
der nach der Lehre der Apostel Götzendienst ist? Siehe, während der Herr voll Mitleid
für seine Diener sorgt, wirst du mit deinem auf unrechte Weise erworbenen Besitz
nichts anzufangen wissen, es sei denn, du schüttest das hartherzig verweigerte Getreide
in die Fluten der Donau und erweist so den Fischen die Menschlichkeit, die du den
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Menschen verweigert hast. Deshalb hilf lieber dir selbst als den Armen mit den
Vorräten, die zu horten du noch für richtig hälst, während Christus hungert.“ Durch
diese Worte wurde die Frau von großer Furcht erfaßt und begann ihre Vorräte
bereitwillig unter die Armen zu verteilen. Und nicht viel später erschienen zahlreiche
mit Waren vollbeladene Schiffe aus Rätien unverhofft am Donauufer, die viele Tage
lang im dicken Eis des Inns festgehalten waren. Als das Eis plötzlich auf Gottes Befehl
hin schmolz, brachten sie den Hungernden Mengen an Lebensmitteln. Darauf priesen
alle Gott als den Spender der unverhofften Hilfe in unablässiger Andacht; sie hatten
schon geglaubt, sie würden durch die anhaltende Hungersnot hinsiechen und sterben,
und bekannten, daß die Schiffe augenscheinlich zu außergewöhnlicher Zeit durch die
Bitten des Knechtes Gottes vom Eise gelöst worden waren.
Der hl. Severin versuchte nie Andersgläubige dadurch zu bekehren, daß er ihnen die
Fehler ihrer Anschauung zu erklären versuchte. Entweder wären diese nicht in der
Lage gewesen seinen Gedankengängen zu folgen, oder was noch schlimmer gewesen
wäre, sie hätten diese zum Anlaß genommen, dannach aus freien Stücken selbst
Theologie zu betreiben, und sich dadurch in andere vielleicht noch schlimmere Fehler
gestürzt. Dennoch bekannte der hl. Severin die Notwendigkeit des orthodoxen
Glaubens, zur Erlangung des ewigen Heils, wie das folgende Beispiel zeigt. Als sich der
Rugierkönigs Flaccitheus durch das Erscheinen der Goten in Niederpannonien in seiner
Herrschaft bedroht sah, suchte er den hl. Severin auf, um ihn wie ein himmlisches
Orakel um Rat zu fragen. Der hl. Severin sagte ihm: “ Wenn uns der eine konziliare
Glaube verbinden würde, hättest du mich eher wegen des ewigen Lebens um Rat
fragen müssen; aber weil du nur beunruhigt wegen des irdischen Wohles, das uns
gemeinsam ist, fragst, so lasse dich belehren und höre zu “. Hiermit erklärt er alle
nichtorthodoxen Glaubenslehren für irdisch. Im Folgenden ermahnt er den arianischen
König, das er nicht die Grenze seines Reiches, die Donau überschreiten solle, sich vor
Hinterhalten hüten und selbst keine legen soll, und daß er es sich nicht verdrießen lasse
auch mit den Niedrigsten Frieden zu erstreben und sich niemals auf seine eigenen
Kräfte zu verlassen. Dann zitiert der hl. Severin die hl. Schrift wo es heißt:“Verflucht
ist, wer auf den Menschen vertraut und das Fleisch für seinen Arm hält und dessen
Herz sich vom Herrn entfernt. “ Hiermit ermahnt er den König nicht nur zu
Besonnenheit, sondern widerlegt auch den Arianismus, der in Christus nur den
vergotteten Menschen aber nicht Gott Seinem Wesen nach anerkennen will, wodurch
er gezwungen ist das Heil des Menschen aus der eigenen Natur, durch eigenes
Vermögen zu lehren, was der Heiligen Schrift widerspricht. Außerdem stellen sich
durch die Erklärung des hl. Severindie Handlungsweisen der Barbaren als Resultat
ihres verfälschten Glaubens dar.
"Bonosus, ein Mönch des seligen Severin, seiner Geburt nach ein Barbar der die Worte
Severins sehr aufmerksam aufnahm, litt schwer an einer Sehschwäche und bat, durch
sein Gebet geheilt zu werden; es verdroß ihn nämlich, daß fremde und auswärtige
Menschen die Hilfe heilbringender Gnade erfuhren, ihm aber überhaupt keine Heilung
und Hilfe zuteil wurde. Zu ihm sprach der Diener Gottes: "Es bringt dir keinen Nutzen,
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mein Sohn, in den Augen des Leibes scharfe Sehkraft zu besitzen und durch sie einen
klaren Blick nach außen zu haben. Bete lieber, daß sich dein inneres Schauen belebe! "
Durch solche Mahnungenalso unterwiesen, bemühte er sich, mehr mit dem Herzen als
mit dem Körper zu sehen, und erwarb sich, ohne je Überdruß zu empfinden, eine
bewundernswürdige Ausdauer im Gebet. Ungefähr vierzig Jahre versah er ohne
Unterbrechung seinen Dienst im Kloster und verschied im gleichen glühenden
Glauben, durch den er bekehrt worden war."
"Ein andermal wiederum hatte sich, im Gebiet des Kastellsnamens Cucullis, der
heutigen Ortschaft Kuchl an der Salzach südlich von Salzburg, in Scharen Feldfrüchte
verzehrende Heuschrecken niedergelassen, die durch ihren verderblichen Biß alles
vernichteten. Über ein derartiges Unheil also erschüttert, wandten sich die Geistlichen
und übrigen Einwohner alsbald an den hl. Severin mit inständigen Bitten und sprachen:
"Damit die so schreckliche Plage abgewendet werde, bitten wir um die erprobten
Fürbitten deiner Gebete; daß diese beim Herrn viel bewirken, sahen wir erst vor
kurzem bei dem bedeutenden Wunder, als die Kerzen sich mit himmlischer Hilfe
entzündete. " Zu ihnen sprach er voll Frömmigkeit: "Habt ihr nicht gelesen, was die
Majestät Gottes dem sündigen Volk durch den Propheten vorgeschrieben hat. `Bekehrt
euch zu mir in euren Herzen und durch Tränen`, und kurz darauf: `Beginnt ein
frommes Fasten, ruft die Gemeinde zusammen, versammelt die Glieder der Kirche`
und so weiter? Vollbringet also durch würdige Werke, was ihr lehrt, damit ihr dem
gegenwärtigen Unheil leicht entrinnt: Niemand gehe auf sein Feld, um etwa durch
menschliche Geschäftigkeit die Heuschrecken abzuwehren, damit der Zorn Gottes nicht
noch mehr herausgefordert wird. " Unverzüglich versammelten sich alle in der Kirche,
und ein jeder sang in der gewohnten Reihenfolge wie üblich die Psalmen. Jedes Alter
und Geschlecht betete zu Gott und wer es nicht mit Worten konnte, flehte durch
Tränen; Almosen wurden unablässig gegeben, und welche guten Werke die
gegenwärtige Notlage erforderte, die wurden vollbracht, wie der Diener Gottes
angeordnet hatte. Während nun alle sich ganz diesen frommen Übungen hingaben,
verließ ein ganz armer Mann den begonnenen Gottesdienst und ging zum Feld, um
nach seiner eigenen Saat zu schauen, die winzig zwischen den Saatfeldern der anderen
lag. Den ganzen Tag über verjagte er ängstlich mit größtem Eifer die darüber
schwebende Wolke von Heuschrecken, und dann ging er wieder in die Kirche, um das
Abendmahl zu empfangen. Sein kleines Saatfeld aber, das von vielen fruchtbaren
Äckern der Nachbarn umgeben war, fraß der Heuschreckenschwarm ab. Als dann in
der Nacht die Heuschrecken aus diesem Gebiet auf göttlichen Befehl vertrieben waren,
erwies sich, wieviel das gläubige Gebet vermag. Am folgenden Morgen allerdings, als
der unbesonnene Verächter des heiligen Wortes wieder zu seinem Acker ging, zu
Unrecht ohne Sorge, fand er diesen durch die Heuschreckenplage bis auf den Grund
kahlgefressen vor, die Saatfelder aller Nachbarn ringsum aber unversehrt. Verwundert
und verblüfft kehrte er mit jammervollem Geschrei zum Kastell zurück, und als er
berichtete hatte, was vorgefallen war, gingen alle hinaus, um ein derartiges Wunder zu
sehen, wo gewissermaßen in schnurgerader Linie der Biß der Heuschrecken das
Saatfeld des verstockten Mannes angezeigt hatte. Da warf dieser sich allen zu Füßen
und bat mit heftigem Wehklagen durch ihre Fürsprache um Verzeihung für sein
Vergehen. Dadurch fand der Mann Gottes einen Anlaß zur Ermahnung und belehrte
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Vergehen. Dadurch fand der Mann Gottes einen Anlaß zur Ermahnung und belehrte
alle, sie sollten lernen, dem allmächtigen Herrn zu gehorchen, dessen Befehlen sich
sogar Heuschrecken beugten. Der erwähnte Arme aber brachte unter Tränen vor, er
werde den Geboten in Zukunft gehorchen, wenn ihm irgendeine Hoffung bleibe, nach
der er leben könne. Da sprach der Mann Gottes zu den übrigen: "Es ist recht und billig,
daß er, der euch, indem er sich der Strafe unterwarf, ein Beispiel der Demut und des
Gehorsams gegeben hat, durch eure Freigebigkeit Nahrungsmittel für das laufende
Jahr erhält. " Durch eine Sammlung unter den Gläubigen also ebenso heftig getadelt
wie bereichert, lernte der arme Mann, welch großen Schaden Unglauben mit sich bringt
und welch große Wohltat der freigebige Gott seinen Anhängern erweist."
Ebenso geschah es auch nahe einer Stadt namens Iuvao: Als die Gläubigen eines Tages
zur Sommerszeit die Basilika betraten, um den Abendgottesdienst zu feiern, und kein
Feuer fanden zum Anzünden der Lichter, konnten sie durch das übliche
Aufeinanderschlagen von Steinen keine Flamme zustande bringen, und mit dem
Zusammenstoßen von Eisen und Stein verweilten sie so lange, daß die Zeit des
Abendgottesdienstes verstrich. Aber der Mann Gottes kniete nieder auf den Boden und
betete inbrünstig. Bald entzündete sich also vor den Augen dreier Geistlicher, die
damals anwesend waren, die Kerze, die der heilige Severin in der Hand hielt. Bei ihrem
Licht wurde der Abendgottesdienst wir üblich zu Ende geführt, und man dankte Gott
für alles. Obwohl er wünschte, daß die erwähnten Männer, die bei diesem Wunder
anwesend waren, es verheimlichten wie viele Großtaten, die von ihm durch göttliches
Wirken herrlich vollbracht wurden, konnte der Ruhm einer so großen Wunderkraft
dennoch nicht verborgen wedrden, sondern entflammte die übrigen vortrefflich zu
“Die Bürger aus der Stadt Lauriacum und die Flüchtlinge aus den donauaufwärts
gelegenen Kastellen hatten an verschiedenen Stellen Späher aufgestellt und suchten sich
dadurch, soweit sie es durch menschliche Vorsicht vermochten, vor den Feinden
vorzusehen. Durch göttliche Eingebung ermahnt, unterwies sie der Diener Gottes mit
seinem seherischen Geist, sie sollten alle ihre armseligen Habseligkeiten innerhalb der
Stadtmauern sicher bergen, damit die Feinde bei ihren schrecklichen Überfällen nichts
vorfänden, was Menschen zum Leben brauchen, und so von Hunger getrieben ihr
ungeheuerliches, grausamens Unterfangen aufgäben. Hierzu ermahnte er vier Tage
lang, und als es Abend wurde, sandte er einen Mönch namens Valens zum heiligen
Constantius, dem Bischof dieses Ortes, und zu den übrigen Einwohnern indem er
befahl: “In dieser Nacht” , so forderte er, “verteilt wie gewöhnlich Posten auf der
Stadtmauer, haltet besonders aufmerksam Wache, und hütet euch vor Überfällen der
Feinde. “ Sie aber behaupteten, sie könnten durch ihre Späher überhaupt nichts von
Feinden bemerken. Aber der Diener Christi ließ nicht ab sie zu warnen, und als sie
immer noch zweifelten, sprach er mit erhobener Stimme zu ihnen und fügte hinzu,
noch in dieser Nacht würden sie gefangen werden, wenn sie nicht auf seine
Anweisungen hörten, und er wiederholte oft: “Steinigt mich, ja steinigt mich, wenn ich
nicht die Wahrheit sage! “ So wurden sie nun endlich dazu gebracht, die Stadtmauer zu
bewachen, und nach dem üblichen Psalmengesang bei Einbruch der Nacht eilten die
Bewohner in Scharen herbei um Wache zu halten. Da wurde ein Heuhaufen in der